Zwischen Seminarraum und Kreißsaal
Dieser Artikel basiert nicht auf eigenen Erfahrungen: Ich selbst habe mein Studium bereits abgeschlossen, bevor ich Mutter wurde. Dennoch bin ich durch Gespräche mit betroffenen Studentinnen, durch die Beschäftigung mit Studien, Beratungsangeboten und Erfahrungsberichten mit den Herausforderungen vertraut, denen sich Schwangere und junge Mütter im Studium stellen müssen. Der folgende Beitrag will Mut machen, informieren und konkrete Hilfestellungen geben. Denn auch wenn Schwangerschaft und Studium auf den ersten Blick wie zwei unvereinbare Lebensphasen wirken – sie müssen sich nicht ausschließen. Vielmehr kann eine gute Planung, realistische Zielsetzung und ein Netz aus Unterstützungsangeboten dazu beitragen, dass beides gelingt.
Kinderwunsch im Studium – Entscheidung und Realität
Ein Kind zu bekommen ist immer eine weitreichende Entscheidung – und im Studium mit besonderen Herausforderungen verbunden. Unregelmäßige Stundenpläne, Prüfungsstress, Nebenjobs und oftmals prekäre finanzielle Situationen lassen viele zögern. Doch für manche ergibt sich die Schwangerschaft ungeplant, andere sehen in der Flexibilität des Studiums sogar einen Vorteil gegenüber dem späteren Berufsleben (vgl. Deutsches Studentenwerk 2023).
Faktenlage: Wie viele Studierende sind Eltern?
Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung haben etwa 8% der Studierenden in Deutschland 2021 eigene Kinder (Forschungsprojekt DZHW). Viele befinden sich bereits in einem höheren Semester oder schreiben an ihrer Abschlussarbeit. Die Zahl ist klein, aber keineswegs marginal – und sie wächst. Die Hochschulen reagieren zunehmend mit Beratungsstellen, familienfreundlichen Angeboten und flexiblen Studienmodellen.
Herausforderungen und Sorgen
Wer schwanger im Studium ist, hat meist viele Fragen und Unsicherheiten. Wie lange kann ich Veranstaltungen besuchen? Was passiert bei Schwangerschaftsbeschwerden? Wie organisiere ich mein Studium mit einem Neugeborenen? Und wie sichere ich mich finanziell ab? Besonders belastend ist oft das Gefühl, alles allein schultern zu müssen.
Schwanger im Masterstudium – ein Interview
Inga Meyer, 28, studiert im vierten Semester ihres Masterstudiengangs Soziale Arbeit in Berlin. Sie ist im sechsten Monat schwanger und hat sich bereit erklärt, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Wie hast du erfahren, dass du schwanger bist, und was waren deine ersten Gedanken?
Inga: Ich habe es ziemlich früh gemerkt, mein Zyklus ist normalerweise sehr regelmäßig. Als ich den positiven Test in der Hand hielt, war das erst mal ein Schock. Ich hatte Prüfungen vor mir, ein Pflichtpraktikum geplant – alles war irgendwie im Fluss. Und dann dieser eine Moment, der alles verändert. Ich habe geweint, vor Freude und vor Angst.
Wie hast du dich dann organisiert – was waren deine ersten Schritte?
Inga: Als Erstes habe ich mit meinem Partner gesprochen. Wir waren uns schnell einig: Wir bekommen das hin. Dann bin ich zur Sozialberatung vom Studentenwerk gegangen und auch zur Studienberatung meiner Fakultät. Dort hat man mir Mut gemacht. Ich habe mich früh entschieden, kein Urlaubssemester zu nehmen, sondern das Tempo zu reduzieren. Ich belege nur zwei Seminare und schreibe eine Hausarbeit. Das ist überschaubar.
Gab es Momente, in denen du alles hinschmeißen wolltest?
Inga: Ja, gerade im zweiten Trimester. Da war ich ständig müde, hatte Rückenprobleme und das Gefühl, einfach nicht mehr klar denken zu können. Ich saß in einer Online-Vorlesung und hab nur noch geweint, weil ich das Gefühl hatte, ich pack das nicht. Aber dann habe ich mit meiner Professorin gesprochen, die selbst Mutter ist – sie hat mir so viel Verständnis entgegengebracht. Das war wie ein Wendepunkt.
Wie reagiert dein Umfeld auf deine Schwangerschaft?
Inga: Überwiegend positiv. Meine Kommilitoninnen haben sofort angeboten, mir Mitschriften zu schicken oder mich in Gruppenarbeiten zu entlasten. Auch meine Familie ist eine große Hilfe. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen – so nach dem Motto: “Warum nicht erst das Studium beenden?” Aber ich glaube, es gibt nie den perfekten Zeitpunkt.
Wie sehen deine Pläne nach der Geburt aus?
Inga: Ich plane, das folgende Semester ein Urlaubssemester zu nehmen, damit ich ganz in Ruhe ankommen kann – mit dem Baby und als Mutter. Danach möchte ich in Teilzeit weiterstudieren. Meine Uni bietet da mittlerweile recht flexible Modelle an. Mein Partner will Elternzeit nehmen, und wir hoffen auf einen Platz in der Uni-Kita. Ohne die Unterstützung meines Umfelds würde ich das nicht schaffen.
Was hilft dir gerade am meisten?
Inga: Das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich habe andere Studentinnen kennengelernt, die ähnliche Wege gehen. Der Austausch ist Gold wert. Und ich habe gelernt, auf meine Grenzen zu achten – wenn ich erschöpft bin, gönne ich mir Pausen. Ich bin ehrlicher zu mir selbst geworden.
Was würdest du anderen Studentinnen raten, die in einer ähnlichen Situation sind?
Inga: Sucht euch Hilfe – so früh wie möglich. Nutzt Beratungsangebote und sprecht mit euren Dozierenden. Und habt keine Angst, euren Weg auch mal neu zu denken. Es ist okay, länger zu studieren oder Prioritäten zu verschieben. Mutterschaft und Studium schließen sich nicht aus – sie verändern sich gegenseitig. Und das kann auch etwas sehr Gutes sein.
Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten –
was Studentinnen wissen sollten:
- Mutterschutz: Auch für Studentinnen gelten bestimmte Schutzrechte. Hochschulen müssen z. B. über besondere Gefährdungen aufklären (z. B. in Laboren oder bei Praxisphasen). Schwangere können bei der Hochschule Mutterschutz anmelden und damit bestimmte Rechte in Anspruch nehmen, etwa Befreiungen oder individuelle Regelungen bei Prüfungen (vgl. Mutterschutzgesetz)
- Urlaubssemester: Ein oder mehrere Urlaubssemester sind möglich, müssen aber rechtzeitig beantragt werden. In dieser Zeit können keine regulären Leistungen erbracht werden – aber z. B. Hausarbeiten können oft trotzdem abgegeben werden, je nach Hochschule (vgl. Studis online, 2025)
- Finanzielle Hilfen: BAföG kann in der Regel weiter bezogen werden, es gibt Zuschläge für Alleinerziehende und Zuschuss für Kinderbetreuung (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2024)
- Zudem gibt es Elterngeld, Kindergeld und Sonderleistungen wie Unterhaltsvorschuss oder Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket
- Betreuungsmöglichkeiten: Viele Hochschulen betreiben eigene Kitas oder haben Kooperationen mit Einrichtungen in der Nähe
- Nachteilsausgleich: Bei gesundheitlichen Einschränkungen während der Schwangerschaft oder durch die Betreuungspflichten können alternative Prüfungsformate beantragt werden
10 praktische Tipps für das Studium mit Babybauch und Baby
- Erkenne deine Grenzen an: Müdigkeit, Übelkeit oder Rückenschmerzen gehören für viele Schwangere zum Alltag. Nimm diese Signale ernst – es ist völlig legitim, weniger zu leisten
- Plane Puffer ein: Halte in deinem Wochenplan Zeiten frei für Ruhepausen. Besonders an Tagen mit Seminaren oder Abgabeterminen solltest du nicht von Termin zu Termin hetzen müssen
- Nutze Online-Angebote gezielt: Viele Hochschulen bieten inzwischen digitale Lerninhalte, Videoaufzeichnungen oder E-Learning-Plattformen – ideal, wenn du das Bett nicht verlassen kannst oder einen schlechten Tag hast
- Spreche offen mit Dozierenden: Informiere deine Lehrenden frühzeitig über deine Schwangerschaft. Häufig lassen sich individuelle Lösungen finden – etwa flexible Abgabefristen oder alternative Prüfungsformen
- Sorge für bequeme Lernorte: Langes Sitzen kann beschwerlich sein. Richte dir zu Hause einen ergonomischen Lernplatz ein – mit Kissen, Wasser, Snacks und guten Lichtverhältnissen
- Vermeide Überanstrengung: Reduziere dein Pensum, wenn es nötig ist. Lieber eine Hausarbeit weniger, als gesundheitliche Risiken einzugehen. Qualität geht vor Quantität
- Iss regelmäßig und gesund: Gute Ernährung wirkt sich direkt auf deine Energie aus. Kleine, nährstoffreiche Snacks helfen gegen Kreislaufprobleme und Konzentrationsschwäche
- Netzwerke mit anderen Schwangeren: Der Austausch mit anderen Studentinnen in derselben Lebenssituation kann Mut machen – und manchmal entstehen dabei hilfreiche Lerngruppen oder Freundschaften
- Lerne im eigenen Rhythmus: Frühaufsteherin oder Nachteule? Passe deinen Lernplan an deine Tagesform an. Auch kurze Lerneinheiten zwischendurch können effektiv sein
- Vergiss das Atmen nicht: Im Stress des Unialltags hilft bewusste Atmung, um zur Ruhe zu kommen. Kleine Achtsamkeitsübungen oder Schwangerschaftsyoga können dich stärken – geistig wie körperlich
Gute Beispiele: Was Hochschulen besser machen können
Manche Hochschulen zeigen, wie familienfreundliches Studieren gelingen kann:
- Flexible Studienmodelle, etwa mit Teilzeitoptionen
- Familienfreundliche Lernräume mit Wickeltisch und Spielbereich
- Online-Verfügbarkeit von Lehrveranstaltungen
- Stipendien speziell für schwangere Studentinnen und Eltern im Studium
Fazit: Es ist möglich – mit Mut, Planung und Unterstützung
Ein Kind im Studium ist kein Karriereknick – es ist ein neuer Lebensabschnitt mit Herausforderungen und Chancen. Wer schwanger wird oder sich im Studium für ein Kind entscheidet, steht vor großen organisatorischen Fragen. Aber: Mit der richtigen Planung, ehrlicher Kommunikation, einem klaren Fokus und einem starken Netzwerk lässt sich vieles bewältigen. Hochschulen und Politik sind gefordert, diesen Weg durch passende Rahmenbedingungen zu erleichtern – und auch wir als Gesellschaft sollten anerkennen, dass es Mut erfordert, beides zu wagen: ein Studium und ein Kind. Aber es lohnt sich.
Beitragsbild: KI-generiert
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Bitte wende dich für individuelle Fragen an eine Sozialberatung deiner Hochschule oder das Studentenwerk.