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Alkohol, die legale Party-Droge: Gefährlicher als du glaubst

Was haben wir uns schon die Nächte um die Ohren geschlagen. Hier eine Studiparty, da eine Kneipentour. Und der Alkohol floss auch schon mal in Strömen… (Anm. d. Red.: Erste Veröffentlichung des Beitrags: 2016)

Die Wirkung von legalen Drogen wird viel zu oft unterschätzt. Das verdeutlicht auch die Geschichte der 21- jähringen Sophie. Ich sprach mit der jungen Frau und mit Frau Dohr von der Drogenhilfe Münster.

Als Sophie acht Jahre alt war, wusste sie bereits, dass sie Tierärztin werden will. Mama und Papa hatten jedoch einen alternativen Plan für sie. Sie hatten das Mädchen als Nachfolgerin im Familienbetrieb vorgesehen. Dieses Vorhaben spiegelte sich in der weiteren Erziehung deutlich wider. Sophie’s Meinung spielte nie eine Rolle. Oft wurde ihr der Mund verboten. Ihr Selbstwertgefühl litt stark darunter. Aber nicht nur das: Alkoholexzesse des Vaters nach der Trennung von der Mutter und Handgreiflichkeiten in ihrem Zuhause hatten einen erheblich negativen Einfluss auf ihre Entwicklung.

13 Jahre später.

Sophie lebt obdachlos am Berliner Platz in Münster. Zu ihren Eltern hat sie den Kontakt komplett abgebrochen. “Egal, was ich gemacht habe, nie war etwas gut genug für sie” sagt Sophie und nimmt einen großen Schluck aus der Mixery-Dose. Sophie ist Alkoholikerin. “Alles begann mit 16 Jahren. Ich sagte meinem Vater, bei dem ich inzwischen lebte, dass nach meinem Schulabschluss studieren möchte, um Tierärztin zu werden. Meine Eltern hatten nicht studiert und hielten das auch für mich überflüssig. Nach einem Wortgefecht hat er mich dann geschlagen.” In ihrer Verzweiflung bedient sich die labile Sophie zuhause an der Minibar. “Ich kannte das von meinem Vater so. Nach einem anstrengenden Tag genehmigte er sich oft einen Whiskey.”

Das Gefühl des Alkohol-Rausches war einfach nur fantastisch, befreiend und unkompliziert.

Miriam Dohr von der Drogenhilfe Münster weiß, wie gefährlich solch eine Erfahrung ist: “Wenn man Alkohol zunehmend einsetzt, um etwas zu verdrängen, kann das schnell in eine Sucht führen.” Bei Sophie war das der Fall. Sie hatte den Umgang mit Alkohol nie erlernt. Zuhause gab es ein striktes Alkoholverbot für sie, wobei der Vater sogar unter der Woche trank, um sich zu entspannen, wie er sagte. Aber über die Gefahr des Konsums wurde nie geredet. “Ich habe mich immer öfter heimlich betrunken. Gegen meinen Vater hätte ich mich niemals durchsetzen können. Also fand ich einen Weg, der mich alles vergessen ließ.”

Der Leistungsdruck ist wahnsinnig hoch. Tendenz steigend.

Miriam Dohr bestätigt, dass nicht nur Vernachlässigung, sondern auch beispielsweise Druck ein Grund für eine Sucht sein kann: “Zu dem Konsum von Alkohol tragen die veränderten Rahmenbedingungen in der Gesellschaft bei: Heutzutage zählen nur noch Leistungen.”

Die Wirkungen des Alkohols können unterschiedlichster Art sein: Heiterkeit, Gereiztheit, Aggressivität oder Traurigkeit. Es kommt jeweils auf die Stimmungslage an. Weiterhin lassen sich in vielen Fällen eine gesteigerte Kontaktfreudigkeit und Hemmungsverluste festmachen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Verlust der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie der Kontroll- und Steuerungsfähigkeit.

Ihre erste Alkoholvergiftung hatte Sophie mit siebzehn Jahren.

Auf einer Party gab es ausreichend Gelegenheit, sich zu betrinken. Das artete so dermaßen aus, dass das Mädchen ins Koma fiel. “Akute Alkoholintoxikationen sind die häufigsten Vergiftungen überhaupt” warnt die Polizei Münster. “Die tödliche Blutalkoholkonzentration liegt zwischen drei und fünf Promille. Lebensgefahr besteht vor allem durch Ersticken an Erbrochenem und Unterkühlung.”

Laut Drogen- und Suchtbericht 2015 konsumieren 9,5 Millionen Menschen in Deutschland Alkohol in riskanter Form. Diese Zahl hat sich seit 2011 nicht verändert. Jedoch ist der Anteil der Personen, die als alkoholabhängig gelten, angestiegen: Waren es 2011 noch 1,3 Millionen Menschen, so sind es nun knapp 1,8 Millionen. Erfreulich ist jedoch, dass laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von den Jugendlichen bei den Frauen aktuell nur 6,3% dem Rauschtrinken verfallen. Auch bei den Männern hält sich der Konsum relativ in Grenzen, so haben 55% der 18-21-jährigen nicht ein Mal das Kriterium Rauschtrinken erfüllt. Die Aufklärungskampagne “Kenn dein Limit” scheint hier bereits Früchte zu tragen.

Dennoch ist diese Tatsache, wie die Drogenbeauftragte Marlene Mortler weiß, kein Grund zur Entwarnung. Es besteht Veränderungsbedarf bei der Erziehung in vielen Familien: “Ich will, dass in unserer Gesellschaft Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können, die die Risiken von Suchtmitteln richtig einschätzen können.“

Sophie kämpft immer noch mit ihrer Sucht. Sie ist regelmäßig bei der Drogenhilfe Münster zu Besuch. Ihr Wille, die Sucht zu besiegen, ist groß. Jedoch liegt noch ein weiter Weg vor ihr und es ist ganz klar zu sagen, dass sie niemals wieder Alkohol trinken darf, auch nicht als Genussmittel.

Der Wein zum Abendbrot, der Aperitif im Restaurant… das alles wird sie nie wieder erleben dürfen

…wenn sie nicht zurück in die Sucht fallen will. Deshalb an dieser Stelle noch einmal der Appell, verantwortungsbewusst zu trinken, es nicht zu übertreiben und vor allen Dingen Alkohol niemals einzusetzen, um schlechte Gefühle zu kompensieren.

(Beitrags-Grafik erstellt durch Marie-Christin Graener mit Canva)

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