Ein Gastbeitrag von Saskia W.
Geisteswissenschaftler*innen haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, vor allem wenn es um die berufliche Zukunft geht. Dass ein geisteswissenschaftliches Studium in Wirklichkeit auch tolle Chancen bietet und wir echte Allrounder sind, zeige ich dir in diesem Artikel. Motiviert durch ein Seminar zum gleichen Thema, möchte ich meine Erkenntnisse gerne mit dir teilen.
“Und was macht man dann damit?”
– wenn du eine Geisteswissenschaft studierst, dann wirst du diese Frage bestimmt schon oft gehört haben. Vielleicht gehörst du zu den Studenten*innen, die schon vorher ganz genau wussten, was sie später mit ihrem Studium anstellen wollen. Vielleicht gehörst du aber auch zur gleichen Gruppe wie ich und hast ein Fach gewählt, das dich interessiert, ohne vorher einen genauen Plan zu haben, was du anschließend damit machen kannst.
Tue, was du liebst!
Vor Beginn meines Studiums konnte ich schon viele Erfahrungen sammeln, unter anderem durch eine abgeschlossene Ausbildung, aber auch durch diverse Nebenjobs und Praktika. Das Richtige, etwas wofür ich mich total begeistern konnte, war aber nie dabei, also entschloss ich mich meinen Interessen nachzugehen, geleitet vom Motto „Choose a job you love and you will never have to work a day in your life.“
Während meines Bachelorstudiums der Anglistik/Amerikanistik und der Kunstgeschichte stellte sich dann heraus, dass meine Wahl zumindest teilweise richtig war. Ich habe zwar beide Fächer im Bachelor abgeschlossen, im Master ging es für mich jedoch nur mit einem Fach weiter. Jetzt stehe ich kurz vor dem Abschluss meines Anglistik- und Amerikanistikstudiums. Bereue ich meine Wahl? Nein, auf keinen Fall. Klar, jedes Studium bringt Höhen und Tiefen mit sich, aber letztlich war meine Studienwahl für mich nicht nur ein beruflicher Wegweiser, sondern hat mich auch wesentlich in meiner persönlichen Entwicklung weitergebracht.
(Anm.d.Red.: Lies hierzu auch Maries Blogbeitrag: 10 Argumente für ein Studium mit 30)
Die meisten Geisteswissenschaftler*innen studieren nicht, weil anschließend das große Geld lockt, sondern weil sie sich tatsächlich für ihr Fach interessieren und für ihre Themen brennen. Ist das für das spätere Arbeitsleben wichtig? Natürlich! Deine Motivation, dein echtes Interesse an einem Thema, beides sind Argumente, die du für dich nutzen kannst. Welcher Arbeitgeber hätte nicht gerne Mitarbeiter, die sich auch wirklich für ihre Arbeit interessieren und sich für Projekte begeistern können, denn diese Arbeitnehmer leisten in der Regel auch mehr.
Zeige, was du kannst!
Mir ist es bis vor Kurzem nicht leicht gefallen zu benennen, was ich gut kann und welche Kompetenzen ich in meinem Studium erworben habe. Liegt für dich hier auch der Knackpunkt? Eigenschaften wie „schnelle Auffassungsgabe“ oder „Flexibilität“ sind hier übrigens nicht gemeint, denn diese Kompetenzen werden von den meisten Arbeitnehmern erwartet. Frage dich, was du in deinem speziellen Fall alles durch dein Studium gelernt hast. Dabei geht es zum einen um das erlernte Wissen, aber auch um ganz konkrete Fähigkeiten. Ein kurzes, vereinfachtes Beispiel: Mein Schwerpunkt liegt im Bereich US Cultural Studies, ich weiß also vieles über Gesellschaftsstrukturen in den USA, über Werte und Normen, ich kenne viele Medien und viel Literatur und weiß diese einzuordnen und damit umzugehen. Übergeordnet verfüge ich aber auch über Wissen, um all das zu analysieren, habe also auch theoretisches und methodisches Wissen, welches sich auch globaler anwenden lässt.
Im letzten Satz findest du bereits das erste Beispiel einer Fertigkeit. Die Analyse von Informationen gehört zum Handwerkszeug der meisten Geisteswissenschaftler*innen ebenso dazu wie die Recherche, Auswertung, Aufarbeitung und Präsentation. Bestimmt fallen dir noch mehr oder auch andere Dinge ein, die du im Studium gelernt hast.
Genauso wie ich, musstest du bestimmt auch eine Menge Hausarbeiten schreiben. Schlüssige Argumentationen, Textproduktion, Sprachkompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Ausdrucksvermögen kannst du also auch auf deine Liste schreiben.
Ein weiterer Vorteil eines geisteswissenschaftlichen Studiums liegt in der Trans- und Interdisziplinarität der meisten Fächer. Du bist es gewohnt, über den Tellerrand zu schauen und kritisch zu denken, Probleme in komplexen Zusammenhängen zu sehen und Lösungsansätze zu finden. Wie du siehst, können wir Geisteswissenschaftler*innen also eine ganze Menge.
Finde deinen Weg!
Kommen wir zurück zum Anfang: „Und was macht man dann damit?“ Ich denke, dass diese Frage jetzt ein bisschen leichter zu beantworten ist.
Es ist wahrscheinlich wenig überraschend zu hören, dass viele Geisteswissenschaftler*innen später einmal in einem völlig fachfremden Job landen, schließlich können wir nicht alle an der Uni bleiben oder Lehrer werden. Wohin dein Weg führt, das kannst nur du bestimmen. Vermutlich wirst du während des Studiums das ein oder andere Praktikum absolviert haben und ein, zwei Nebenjobs hattest du vielleicht auch. Am Ende hast du ein sehr individuelles Profil und eben deshalb ist es schwierig pauschal zu sagen, welche Stellen sich für Geisteswissenschaftler*innen eignen, denn es gibt sehr viele, die in Frage kommen.
Ich möchte dich jetzt nicht enttäuschen, weil du vielleicht gehofft hast, dass du hier ganz konkrete Hinweise zu passenden Jobs bekommst, deshalb habe ich dir einige Beispiele herausgesucht. Wie du sehen wirst, gibt es in vielen Branchen eine Chance (die folgenden Links verlieren nach gewisser Zeit ihre Gültigkeit und dienen der Veranschaulichung, anhand der Titel bekommst du aber bestimmt schon eine Idee).
Mögliche Berufe für dich als Geisteswissenschaftler*in
Personalwesen: Manager of Candidate Relations (m/w)
Handel: Verkaufsleiter (m/w)
Unternehmensberatung: Einstieg als Student oder Absolvent
Öffentlicher Dienst: Anhörer/in im Asylverfahren
Unternehmenskommunikation: Englischsprachige/r Redakteur/in in der Unternehmenskommunikation
Überrascht? Ich war auf jeden Fall sehr erstaunt, wie viele Möglichkeiten es gibt. Wichtig ist es, sich nicht einschüchtern zu lassen, wenn man ein oder zwei Anforderungen nicht erfüllt. Mehr als „Nein“ sagen können die Arbeitgeber nicht, also sei mutig. Das ist zwar leichter gesagt als getan und der Berufseinstieg ist mit Sicherheit kein einfaches Kapitel in deiner und meiner Karriere, aber wenigstens weißt du jetzt, dass es viele Chancen gibt.
Informiere dich!
Hat dir der Artikel gefallen? Natürlich konnte ich dir hier nur einen groben Überblick geben, das Thema lässt sich noch viel weiter vertiefen. Zu Beginn habe ich erwähnt, dass ich ein Seminar zur Berufsorientierung für Geisteswissenschaftler besucht habe, dass vom Career Service meiner Uni angeboten wurde. Informiere dich auch an deiner Universität nach vergleichbaren Angeboten. In meinem Fall wurde das Seminar von Dr. Andreas Stützer angeboten, ohne ihn hätte ich meine Erkenntnisse nicht mir dir teilen können, daher erwähne ich ihn hier gerne. Wenn du noch mitten im Studium steckst, dann macht es auch Sinn jetzt schon zu überlegen, in welche Richtung es später gehen soll. Suche dir Stellenanzeigen heraus und schaue dir an, welche Anforderungen gestellt werden, so kannst du sehen an, welchen Ecken du noch arbeiten musst. Wenn es dir schwer fällt, dich zu entscheiden (mir ging es übrigens genauso), dann überlege dir doch, welche Aspekte deines Studiums am meisten Spaß machen. Vielleicht kannst du darauf aufbauen?
Ich hoffe sehr, dass ich dir mit diesem Artikel einen kleinen Einblick geben konnte und freue mich über einen Kommentar vor dir.
Alle Grafiken (auch Beitragsbild) by Saskia W.